Zu Besuch im Waisenhaus Bukuumi
Hier der Bericht der Lingener Tagespost (Mike Röser) über die Reise einer Delegation u.a. aus unserer Pfarreiengemeinschaft zu unserem Partnerschaftsprojekt nach Bukuumi (Uganda):
Bukuumi. Die Zukunft der vielen Kinder Ugandas stirbt oft mit ihren Eltern. Bis zu 63 von ihnen erhalten mit Hilfe aus Deutschland eine Perspektive in einem Waisenhaus in Bukuumi, das seit einigen Jahren auch von der katholischen Kirchengemeinde St. Josef Laxten unterstützt wird. Eine Reisegruppe aus Lingen erfuhr, was das vor Ort bedeutet – und welche Probleme die Hilfe mit sich bringt.
Sein Name taucht nicht mehr auf, doch die Worte Winston Churchills begrüßen weiterhin Ugandas Gäste, die den Flughafen Entebbe am Ufer des Victoriasees verlassen. „Welcome to the pearl of africa“ wirbt dort auf einem großen Schild mit blauem Grund ein US-Limogigant. „Die Perle Afrikas“ nannte der bedeutende britische Staatsmann das ostafrikanische Land am Äquator zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der Nil hat dort seine Quelle, fruchtbar sind die Böden, zweimal im Jahr ernten die Menschen. Prächtig sind die Natur und die Tierwelt des Landes.
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Verkaufsstände an einer Hauptstraße in Entebbe, Uganda. Foto: Mike Röser
Doch der Dreck und die blinden Flecken auf dieser Perle offenbaren sich dem europäischen Auge schon auf wenigen Metern ruckeliger Straßen in Entebbe. Wenige Meter, manchmal Zentimeter vom Staub der Straße und den Abgasen unzähliger Motorräder und Kleinbusse entfernt, bieten die Menschen ihre Waren an: Gemüse, Früchte, rohes Fleisch, das in Holzverschlägen den ganzen Tag offen hängt. Daneben der Plastik-Müll.
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Das Verkehrsmittel Nummer eins: Mit Fahrdiensten auf ihren Boda-Bodas verdienen junge Männer oftmals ihre ersten Uganda-Schilling. Foto: Mike Röser
In Wasserlöchern waschen junge Männer ihre Motorräder, Boda-Bodas genannt, mit denen sie ihre ersten Uganda-Schillinge verdienen. Daneben baden Kinder – oder holen mit gelben Kanistern aus dem gleichen Loch das Wasser, welches sie und ihre Familien zum Leben brauchen.
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Wasser holen ist ihre Aufgabe: Mehrmals am Tag holen diese Kinder mit den allgegenwärtigen gelben Kanistern bis zu 20 Litern, auch über kilometerweite Strecken. Foto: Mike Röser
Wenn es die Familie noch gibt. Die Bevölkerung Ugandas gilt als die jüngste der Welt, das Durchschnittsalter liegt bei rund 16 Jahren (in Deutschland sind es etwa 42 Jahre). Acht, neun oder zehn Kinder zu haben, das ist keine Seltenheit: Die Selbstbestimmung der Frauen steht am Anfang in Uganda, Männer gelten in ihrem Dorf oft nur etwas, wenn sie Nachwuchs zeugen, am besten Zwillinge. In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Bevölkerung von 32 auf 45 Millionen Menschen.
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Foto: Mike Röser
Doch Malaria und Aids sind zwei der Krankheiten, welche die Eltern dahinraffen. Kinder sind dann oft auf sich allein gestellt. Wenn sie nicht bei Verwandten – die selbst viele Münder zu stopfen haben – unterkommen, schlagen sich die Größeren mit den jüngeren Geschwistern durch. Waisen finden sich allerorten in Uganda, oft arbeiten sie in Kirchengemeinden gegen Kost und Logis.
„Welche Chancen haben diese Waisen hier?“, fragt Hartmut Sinnigen während der Fahrt vorbei an den Schattenseiten der Perle Afrikas. Er ist Pfarrer in Lingen und mit Teilen des Arbeitskreises „Zukunft Bukuumi“ aus seiner Kirchengemeinde St. Josef Laxten auf dem Weg zu einem Ort der Hoffnung: dem Waisenhaus von Bukuumi.
Auch Patenschaften bieten die Laxtener an: Rund 300 Euro im Jahr – also weniger als einen Euro pro Tag – bedarf es für ein Kind. Ein spezielles Waisenkind wird dabei allerdings nicht zugeordnet: Eine direkte Eins-zu-eins-Abhängigkeit soll so verhindert werden.
Doch ihren Blick wenden die Laxtener – wenn es sich ergibt – auch jenseits der Mauern des Waisenhauses: Kurz vor ihrer Reise nach Uganda wurde ein Ultraschallgerät in dem kleinen Krankenhaus von Bukuumi (entstanden nach Vermittlung von Waisenhaus-„Vater“ Karl-Heinz Dörsam) in Betrieb genommen. Es handelt sich (größtenteils) um die Spende eines Geschäftsmanns aus dem südlichen Emsland.
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Die Kinder von Bukuumi mit Unterstützern aus Deutschland. Foto: Mike Röser
Gelegen ist Bukuumi rund 200 Kilometer und dreieinhalb Stunden Autofahrt von der Hauptstadt Kampala entfernt. Der Landstrich gilt auch für ugandische Verhältnisse als wenig entwickelt. Seit 1991 engagieren sich hier Katholiken aus Seckach in Baden-Württemberg. Ein ugandischer Pfarrer hatte dort eine Urlaubsvertretung gemacht und die Lage in Bukuumi geschildert. In der Folge unterstützte die Seelsorgeeinheit Adelsheim-Osterburken-Seckach zunächst die Pfarrei in Bukuumi und eine religiöse Schule. Heute ist aus dieser ein Waisenhaus geworden, getragen vom Verein Partnerschaft Bukuumi/Uganda.
Tanzend und singend empfangen die Kinder von Bukuumi die Reisegruppe aus Deutschland. Jeder wird zur Begrüßung umarmt, geherzt aber vor allem zwei, die die Partnerschaft seit Jahren mit Leben füllen: Florian Bauer und Mirjam Biermayer, die beiden Vorsitzenden des Vereins. In den Tagen im Waisenhaus wird deutlich: Für die Waisen sind sie bei den vielen Aufenthalten in den vergangenen Jahren zu Bezugspersonen geworden. Ein bisschen Mama, ein bisschen Papa. Sein Wort gilt, wenn halbstarke Jungs eine unerlaubte Spritztour mit einem Boda-Boda gewagt haben. Ihren Rat suchen die heranwachsenden Mädchen.
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Florian Bauer im neuen Waschhaus des Waisenhauses. Foto: Mike Röser
2011 war Florian Bauer erstmals in Bukuumi. Der heute 34-Jährige half Karl-Heinz Dörsam, einem der Väter der Partnerschaft, dabei, aus der religiösen Schule das Waisenhaus in seiner heutigen Form zu machen. Warum er das macht? Aufgrund der vielen Kinder in Uganda werde dem einzelnen nicht so viel Wert beigemessen, meint er. Sie sind die blinden Flecken auf der Perle Afrikas. „Ein Kind ist mehr als ein Produkt“, sagt Florian Bauer.
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Die Pumpstation für das Waisenhaus an der Wasserquelle. Foto: Mike Röser
In den ersten Jahren suchte er mit dem Motorrad in den unwegsamen Außenbezirken der Pfarrei Bukuumi – „im Busch“ – nach Waisen. Viele Arbeitsstunden investierte er mit anderen zum Beispiel, um eine Wasserquelle mit einer heute solarbetriebenen Pumpe zu erschließen. Diese sorgt für fließendes Wasser im Waisenhaus.
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Ein Schlafraum der Jungs. Foto: Mike Röser
Bis zu 63 Waisen, Halbwaisen oder „wenige Kinder, bei denen sich die Eltern nicht mehr kümmern,“ finden Platz, berichtet Florian Bauer. Umsorgt werden die Vier- bis 18-Jährigen von vier Frauen, die für Ordnung sorgen, als Ansprechpartner dienen, mit den Kindern kochen. Drei bis vier Tage die Woche schaut auch eine Koordinatorin nach dem Rechten. Und in Hoima, der 80 Kilometer entfernten Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts, wohnt eine Vertrauensperson des Partnerschaftsvereins, die in Absprache mit Florian Bauer und Mirjam Biermayer Entscheidungen trifft. Beide halten auch im deutschen Alltag per Whats-App Kontakt nach Uganda.
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Im Waschhaus gibt es für die Jungs sogar Pissoirs. Foto: Mike Röser
Die räumliche Trennung des Vertrauten vom Waisenhaus ist dabei ein Vorteil, unterstreicht Florian Bauer. Dieser könne so unabhängige Entscheidungen treffen. Rund 20.000 Euro pro Jahr muss der Partnerschaftsverein für den Unterhalt der Einrichtung aufbringen, beispielsweise durch ein kleines Festival. Nicht inbegriffen sind da Bauvorhaben wie das auf der jüngsten Reise eingeweihte Waschhaus, das mit 24.000 Euro aus Spenden finanziert wurde und mit seinem nahezu europäischen Standard im weiten Umkreis von Bukuumi seinesgleichen sucht.
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Kleiderspenden aus Lingen werden an die Waisen verteilt. Foto: Mike Röser
Aber nicht jeder im Dorf heißt das Engagement der Weißen vollends gut. Zu einfach hätten es die Kinder im Waisenhaus, heißt es da offen von einer Lehrerin, die sie auch unterrichtet. Sie würden sich nicht genug anstrengen, weil sie alles bekämen. Neid gibt es auf das fließende Wasser. Auch unliebsame Besucher an den Gebäuden gab es schon, die schauten, ob es was zu holen gibt. Eine Mauer umgibt das Gelände deshalb mittlerweile fast vollständig. Zwei Wachmänner sorgen für Sicherheit.
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Die Einweihung des Waschhauses im Januar 2020. Foto: Mike Röser
So gut es geht versucht der Partnerschaftsverein deshalb, das Dorf an der guten Entwicklung des Waisenhauses teilhaben zu lassen: An der Pumpstation können Nachbarn Wasser abzapfen. Und nach der jüngsten Reise wurde auch eine Wasserleitung vom Waisenhaus ins Dorfzentrum verlegt und eine Entnahmestelle gebaut.
Um mehr Planungssicherheit für das Projekt zu erhalten, strebt Florian Bauer nun die Gründung einer Nichtregierungsorganisation (NGO) als Betreiber des Waisenhauses an. Dieses steht auf kirchlichem Grund, die NGO könnte es langfristig pachten. Auch wenn handelnde Personen im Bistum Hoima wechseln, würde dies den Fortbestand sichern. Denn das Vertrauen muss nach Vorkommnissen in der Vergangenheit erst wieder wachsen: Kirche in Uganda finanziert sich ohne Steuereinnahmen – und nicht jeder Geistliche gibt einem Waisenhaus Vorrang vor dem eigenen Auskommen. Hilfsorganisationen mahnen untereinander zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit der Kirche in der Diözese Hoima, zu der Bukuumi gehört.
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Hans Baumann, der in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag feierte, ist eine der treibenden Kräfte in Laxten hinter dem Engagement für Bukuumi. Hier verteilt er während der Reise Luftballons an die Waisen. Foto: Mike Röser
Viele Dinge also, um die sich der Partnerschaftsverein kümmern muss, um ein klitzekleines Stückchen der Perle Afrikas zu polieren: Waisen eine Zukunft geben und Mädchen den Weg zu Bildung ebnen. Zwei Drittel der Kinder im Waisenhaus sollen stets Mädchen sein. Umso glücklicher ist Florian Bauer deshalb über die Unterstützung aus Lingen seit 2017. Rund 6000 Euro an Spenden steuert der Arbeitskreis der Kirchengemeinde St. Josef jährlich bei und finanziert so einen Großteil der Schulgebühren für die Waisen von Bukuumi.